Ich war kurz davor, ihm Wasser ins Gesicht zu schütten

Blog-Pod I Simone Bendzulla-Achtermann I #18 Ich war kurz davor, ihm Wasser ins Gesicht zu schütten

10.01.2024 I alle Beiträge, Emotionale Entwicklung

Ein Tag bei der Tagesmutter

„Ich war kurz davor, ihm Wasser ins Gesicht zu schütten.“

Diesen Satz hörte eine Mama von der Tagesmutter, als sie mittags ihren 20-monatigen Sohn abholte.

Was war passiert?

Der kleine Kerl wollte nicht bei der Tagesmutter bleiben und wütete los als seine Mama ging. In seiner Wut fiel er vom Stuhl und begann dann so richtig zu schreien – und hörte nicht mehr auf!

Und klar, die ultimative Lösung, die schon viele Jahre erprobt war, war ganz einfach:

Das Kind bekommt Wasser ins Gesicht geschüttet, es erschreckt sich und hört auf zu weinen😬.

Eigentlich müsste ich genau hier aufhören, weiterzuschreiben.

Es gab ein Problem – Es wurde eine Lösung gefunden.

Und ja, nun könnte ICH vor Wut toben!

Wie kann es sein, dass ein Kind, das in seiner Not weint oder auch schreit, einfach nicht gehört wird?

Und ja, das Kind hatte Not. Egal, ob der Grund des Weinens, Wut, Verzweiflung oder Schmerzen waren.

Es brauchte Hilfe – genau in dieser Situation.

Hilfe, die es einfach nicht bekommen hat.

Was macht das wohl mit einem Kind?

Tränen und Wut

Leider gibt es immer noch Menschen, die nicht verstehen, warum Kinder wütend sein dürfen und auch weinen dürfen.

Weinen hilft den Kindern, sich selbst zu regulieren.

Sie dürfen ihren Frust loswerden. Sie dürfen ihn uns „erzählen“ und wir Erwachsene dürfen ihnen zuhören.

WIR dürfen lernen, die Kinder mit ihren Nöten wahrzunehmen, sie zu verstehen und zu unterstützen.

Unsere Aufgabe ist es, sie in ihrer Wut zu begleiten – und nicht, sie mit dieser allein zu lassen.

Ganz gruselig finde ich, dass diese Erziehungsmethoden auch noch heute -im 21. Jahrhundert- praktiziert werden (oder zumindest -wie in diesem Fall- darüber nachgedacht wird).

Anscheinend fällt es immer noch vielen Erwachsenen schwer, das Thema Weinen und Wut zu verstehen, bzw. auszuhalten.

Der Kompromiss-Rucksack

 

Stelle dir vor, dass du morgens einen Rucksack mit Goldbarren packst. Jeder Goldbarren steht für einen Kompromiss. Dein Rucksack ist für den Tag gut gefüllt.

Jedes Mal, wenn du nun im Laufe des Tages einen Kompromiss eingehst, gibst du einen Goldbarren ab.

Lasse uns jetzt mal kurz einen Ausflug in den Tag deines Kindes machen…

Dein Kind wird morgens geweckt. Es war in der Nacht sehr oft wach und es ist noch so wahnsinnig müde und möchte lieber noch etwas schlafen. Du musst aber arbeiten, so dass dieses nicht möglich ist.

Dein Kind lässt sich überreden aufzustehen und der 1. Goldbarren wird abgegeben.

Beim Anziehen möchte dein Kind gerne sein Lieblingskleid anziehen. Allerdings hat es in der Nacht geschneit und dummerweise ist das Kleid ein Sommerkleid. Ihr seht euch gemeinsam den Schnee an und dein Kind sieht ein, dass der Schneeanzug nun doch die bessere Wahl ist und der 2. Goldbarren wurde gerade abgegeben.

Am Frühstückstisch möchte dein Kind gerne, wie jeden Tag, sein Brot mit Erdbeermarmelade essen. Da gestern aber die Erdbeermarmelade ausverkauft war, konntest du nur Himbeermarmelade kaufen. Nun gut, Himbeere ist auch irgendwie ok. Der 3. Goldbarren verschwindet aus dem Rucksack.

Nach dem Frühstück hat dein Kind nun noch einige Minuten Zeit zu spielen, während du die Küche aufräumst.

Als du fertig bist und dein Kind rufst, um in den Kindergarten zu fahren, ist es noch in seinem Spiel vertieft und möchte es noch eben zu Ende spielen. Da du aber zu einer bestimmten Zeit im Büro sein musst, geht das leider nicht. Der 4. Goldbarren wird abgegeben.

Und so kann es unendlich weiter gehen.

Vielleicht sind es die falschen Schuhe, vielleicht ist heute der beste Freund nicht im Kindergarten, vielleicht ist es zu laut…

Dein Kind ist schon so viele Kompromisse eingegangen und der Tag hat gerade erst begonnen.

Du kannst dir nun vorstellen, dass irgendwann der Kompromiss-Rucksack leer ist.

Und das ist spätestens der Zeitpunkt, an dem dann der erste Wutanfall kommt.

Nicht, um uns Erwachsene zu ärgern. Nicht, um seinen Willen durchzusetzen. Sondern einfach nur, weil es jetzt gerade zu viel für dein Kind ist.

Auch mein Kompromiss-Rucksack ist irgendwann leer.

Und dann bin ich auch nicht mehr bereit, auf irgendwelche „tollen“ Ratschläge einzugehen.

Glücklicherweise (hoffentlich😉) habe ich gelernt, meine Wünsche dann klar zu kommunizieren und mich aus diesen Situationen herauszuziehen.

Und seien wir mal ehrlich: Das klappt auch nicht immer! Es gibt auch bei mir immer wieder Situationen, in denen ich durch eine Überforderung nörgelig, ungerecht und auch mal laut werde.

Und dann hilft es mir, einfach mal in den Arm genommen zu werden.

Buch-Tipp

Übrigens gibt es ein mega gutes Buch zu diesem Thema:

Warum Babys weinen von Aletha J. Solter

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